Nachhaltigkeit Warum diese Schweine viel Auslauf haben
#saugute Haltung: nachhaltige Viehwirtschaft
auf dem Hofgut Silva
Über Bio, Klimaschutz und Tierwohl redet jeder – es aber so richtig konsequent machen? Das kann man bei Judith Wohlfarth erleben, der Frau mit den vielleicht glücklichsten Schweinen weit und breit

Alles voller Wurzeln, aufgewühlter Erde, Kuhlen, Wasser, Schlamm und Baumstümpfe. Darüber viele hohe Laub- und Nadelbäume. Die Erde wurde schon zigmal mit der Schnuffel durchwühlt. Käfer und Engerlinge, Wurzeln und Kräuter, Bucheckern und Eicheln stehen auf dem Speiseplan. „Die fressen alles, was unter und über der Erde ist“, sagt Judith Wohlfarth aus Oberkirch über ihre Schweine. Sie ist nicht irgendeine Bäuerin aus der Ortenau. Von ihr beziehen Küchenchefs aus Sternerestaurants, ambitionierte Hobbyköche und umweltbewusste Zeitgenossen Fleisch und Wurst. Warum? Na, weil es saulecker schmeckt, aber auch weil die Schweine wie im Paradies leben. Denn in Hesselbach treffen sich Tierwohl und Nachhaltigkeit. 

Judith Wohlfarth, 36, hatte eigentlich anderes im Sinn, als Landwirtin zu werden. Die Schweinezüchterin war vormals Investmentbankerin in München, als ihre mittlerweile verstorbene Mutter Ursel Wohlfarth 2008 einen Altersruhesitz suchte und im Renchtal fündig wurde. Zum Hof gehört auch sehr viel Wald. Darum wurde dem Hofgut der Name Silva gegeben, was auf lateinisch Wald bedeutet. So schön der Name ist, das Gebäude hatte eine Sanierung nötig. Was tun? Da die Mutter schon einmal Wildschweine in einem Gehege hatte, kamen Mutter und Tochter auf die Idee, Schweine zu züchten. In England fanden die Wohlfarths ihre Tiere. Es handelt sich um das dunkle Berkshire und das langbeinige Tamworth, zwei robuste Schweinerassen, über die auch ein Herdenbuch geführt wird. Das ist wichtig, damit es keine Inzucht gibt. Mittlerweile gibt es auch Kreuzungen, was der Fleischqualität keinen Abbruch tut. Die zutraulichen Tiere sind das ganze Jahr draußen. Als Regen- und Schneeschutz gibt es Zelte. Geschlachtet wird auf dem Hof.

Fett ist nicht gleich fett 

Die englischen Schweine setzen zwar Fett an, aber das hat seinen guten Grund. Die Fettschicht schützt die Tiere vor Kälte. Dank der vielen Bewegung (der Begriff Schweinsgalopp kommt nicht von ungefähr) ist es aber ein anderes Fett. Es ist nicht so weich, eher kernig. Ganz anders als bei herkömmlichen Mastschweinen, die ihr kurzes Leben im Stall verbringen, manchmal ohne die Sonne zu sehen und ohne Bewegung. Auf dem Hofgut werden die Schweine langsamer, gesünder fett. 

Aber rechnet sich all das für die Bäuerin, die wie alle wirtschaftlich arbeiten muss? Die Bilanz fällt gemischt aus. Im Vergleich zu Rindern bringen Schweine grundsätzlich mehr Gewinn, erklärt Judith Wohlfarth, denn sie werfen mehr Nachkommen und so gut wie alles vom Tier ist auch verwertbar. Hier kommt die nachhaltige Nose-to-tail-Philosophie aufs Beste zur Geltung. Der Vergleich zum herkömmlichen Mastschwein fällt vordergründig aber schlecht aus. Die Silva-Schweine brauchen mehr Zeit, bis sie Fett ansetzen und bringen ein viel geringeres Schlachtgewicht als ein Mastschwein. 

Nach sechs Monaten Mast wiegt ein herkömmliches Schwein um die 120 Kilo. Ein Schwein vom Hofgut braucht dafür zehn bis zwölf Monate. Auch in der Schweinezucht ist Zeit Geld. „Der Betreuungsaufwand ist riesig“, erklärt die Hofbäuerin die weiteren Mehrkosten. Statt einem zentralen Stall gibt es dutzende solcher Flecken im Gelände. Das bedeutet, dass die Fütterung aufgrund langer Anfahrten viel mehr Zeit braucht. Zudem müssen diese Offenställe auch gesichert sein. Alle paar Monate muss der Standort gewechselt werden, damit sich der Waldboden wieder erholen kann. Im Sommer geht’s raus auf die Streuobstwiese, wo den Schweinen das süße Futter geradezu ins Maul fällt. 

Qualität, die sich bezahlt macht

Trotzdem oder gerade deshalb ist das Hofgut zu einer Erfolgsgeschichte geworden. Gastronomen und Feinschmecker schnalzen beim Namen Hofgut Silva mit der Zunge. Köstlich!  Aber der Weg dahin war lang: Zuerst musste Judith Wohlfarth viel telefonieren, bis der Stein ins Rollen kam. Dann fanden Zeitungen, Zeitschriften und Fernsehen den Weg nach Hesselbach. Seitdem kennt man das Hofgut im Ländle. Der Betrieb ist mittlerweile um eine Außenstelle in Prinzbach gewachsen. Eine Verkaufsstelle im Kinzigtal ist auch geplant. Hatten die Wohlfarths also nur Schwein mit ihrer Geschäftsidee? Nein, es waren wohl eher eine ungewöhnliche Idee, ein stimmiges Konzept und harte Arbeit, die zum Erfolg führten.