Offenburgs Glück Stefan Strumbel setzt ein kulturelles Denkmal in Offenburg
Im lange unterschätzten Westen

...der Stadt entsteht ein neuer, kreativer Ort rund um ein altes Kesselhaus. Und mittendrin sitzt ein international renommierter Künstler, der damit seiner Heimatstadt ein kulturelles Denkmal setzt – und dabei selber endlich ankommt …

Ein Ort der Kunst entsteht

Es wird ihn verändern. Inspirieren. Weiterbringen. Auf das nächste Level bringen und sicher ist auch das ein Grund, warum der Künstler Stefan Strumbel Offenburgs altes Kesselhaus gekauft und saniert hat. Zum Glück, wie viele sagen! Denn über Jahre stand die Immobilie leer. Projektentwickler und Architekten schreckten davor zurück, Offenburgs letzten Rohdiamanten wieder strahlen zu lassen. Der Denkmalschutz, fast zehn Meter hohe Räume, die fehlende Nutzungsidee: alles Gründe. Aber im Nachhinein ist es eben auch saugut, dass niemand dem Strumbel zuvorgekommen ist – denn hätte diesem Gebäude und der Stadt etwas Besseres passieren können, als dass hier ein Ort der Kunst entsteht?

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Nur eine Kuckucksuhr sucht man bisher vergebens. Weder hat eine klassische ihren Weg ins Kesselhaus gefunden – noch eine von Strumbels ikonischen Neuinterpretationen, mit denen vor gut zehn Jahren die Back-to-be-cool-Bewegung des Schwarzwalds anfing. Aber auch ohne Cuckoo Clock muss man erst mal stehen bleiben. Gucken. Den Blick schweifen lassen. Über die gigantischen Sprossenfenster hinweg die weißen Wände hoch und rüber zur Brücke mit den alten Schalttafeln. „Wann strahlst du?“, fragt ein Schriftzug in Neon. Dann fallen die tannengrünen Fliesen ins Auge und die hohe Decke, unter der ein alter Kran noch seinen Dienst tut und geradezu monumentale Plastiken ermöglicht. Aktuell aber sitzt Strumbel an einem Tischchen und signiert Drucke.

„A beautiful thing is never perfect“

steht darauf und natürlich bezieht sich diese Erkenntnis auch auf das zum Atelier umgebaute Kesselhaus auf Offenburgs altem Spinnereiareal. Ein Ort, der für die Entwicklung des Städtchens zur Stadt eine große Rolle gespielt hat. Dass Offenburg ab 1857 über 150 Jahre hinweg ein Zentrum der Baumwollverarbeitung am Oberrhein war, wissen nur noch die wenigsten. Tatsächlich aber ratterten bis in die Mitte der 1990er-Jahre hinein Spinnmaschinen und Webstühle am Mühlbach. 800 Arbeiter waren es in Spitzenzeiten, und heute ist man froh, dass von der historischen Bausubstanz im Westen der Stadt zumindest ein bisschen was erhalten blieb: der Spinnereihochbau, ein Teil der früheren Werkswohnungen sowie das vermutlich um 1906 erbaute Kesselhaus, in dem früher eine Dampfmaschine die Fabrik zum Laufen brachte. Dass dieses Kesselhaus so eine wunderschöne, haushohe Fensterfront hat, lag daran, dass immer mit Explosionen oder Verpuffungen zu rechnen war – und dann war es allemal besser, wenn nur die Fenster kaputtgingen und nicht gleich das ganze Gebäude einstürzte.

EIN KUNSTWERK FÜR SICH

Drei Jahre hat die Verwandlung gedauert und auch damit war dieses Vorhaben eine Besonderheit für die Finanzierer der Sparkasse Offenburg / Ortenau. Denn wie bewertet man es, wenn fein polierter Beton als Leinwand für Licht dient, das durch acht Meter hohen Sprossenfenster fällt und immer neue Linien auf den Boden malt? „Ein bisschen ist das Kesselhaus eine gigantische Plastik, ein Kunstwerk für sich“, sagt Stefan Strumbel. Denn natürlich gibt es funktionellere Gebäude als diesen Kubus, der so schön ist, dass man ihn eben nicht mit Zwischendecken, einem Haus-im-Haus-Konzept oder Ähnlichem entweihen sollte. Bei jeder anderen Nutzung aber wäre das der Fall gewesen, und so ist auch die Aussage von Offenburgs OB Marco Steffens zu verstehen, der bei der Eröffnung zu Strumbel sagte: „Sie haben dem Gebäude mehr Leben gegeben, als wir es hätten tun können.

Man kann sich keine bessere Nachnutzung vorstellen als das Atelier eines international renommierten Künstlers, der auch noch aus Offenburg kommt.“ Wer ein Faible für Architektur hat, den begeistern die Kontraste. Die narbige Fassade nach Westen, die candybunte Kantine nach Osten, die fein ziselierten Sprossenfenster, die sorgsam gesetzten Backsteine der Fassade mit ihrem weithin sichtbaren Industriellenstolz – und davor die brutalistische Treppe aus hochfeinem SB3 Sichtbeton, die den Tiefhof überspannt. Auch hier unten kann man himmlische Momente erleben, denn im Keller mit seinen wuchtigen Maschinenfundamenten gibt es eine Rahmerei mit kleinem Shop und viel Potenzial für kulinarische Erlebnisse. Im Nebengebäude haben Willi Schöllmann und Martin Kammerer im früheren Labor die Kantine eröffnet und servieren inmitten von moderner Kunst Sandwiches zu Sonnenuntergängen auf der Sitztreppe.

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Hier will ich bleiben

Zurück ins Kesselhaus! „Ich habe ewig nach so etwas gesucht“, sagt Strumbel, der mit seinem Atelier unbedingt in Offenburg bleiben wollte. Der Familie und der Freunde wegen. Seine Kunst hängt in den Galerien der Welt, sie wird in New York und Paris ausgestellt, in Köln und Berlin, aber Stefan Strumbel – der hängt an Offenburg. „Für mich ist das hier der letzte Diamant in Offenburg, denn alles, was es sonst an alten Industriehallen gab, ist gerade totsaniert worden.“ Für Stefan Strumbel ist das Kesselhaus nicht der erste Umzug. „Angefangen habe ich gleich hier ums Eck, nur 100 Meter Luftlinie“, erzählt er. Später war er in der Ihlenfeld-Kaserne am Start, dort trafen sich auch die Wege von Gresens und Strumbel zum ersten Mal. „Jetzt aber bin ich wirklich angekommen. In meinem Traumstudio. Denn dieser Raum hat so viel Energie, die man spüren kann, das Licht ist so wahnsinnig schön – hier will ich bleiben!“